Die Postaufklärungsgesellschaft
Das Sprichwort oben ist auch als "Sapere aude" bekannt, was eigentlich bedeutet: Wage es, weise zu sein!
Der Philosoph Markus Tiedemann glaubt, dass wir heute, im Vergleich zu allen anderen Zeiten, privilegiert leben. Wir leben innerhalb einer relativ kurzen Episode der Zeitgeschichte noch im Lichte der Aufklärung. Aufklärung entstand oft als Ausweg nach Krisen. Er sieht die Leitideen der Aufklärung und die freiheitliche Demokratie, so wie wir sie kennen, gefährdet, deshalb Postaufklärungsgesellschaft.
Die Krise der Aufklärung
Angesichts des Angriffskrieges auf die Ukraine, der Autokraten, der Populisten …. und angesichts der ersten Generation von Eltern, die wie ihre Kinder mit Tik Tok und allen sozialen Medien groß geworden sind, befürchtet er, dass wir uns nicht in einer Krise vor einer Aufklärung befinden, sondern in einer Krise der Aufklärung. Es gäbe sozialpsychologische Studien, die aufzeigten, wie wir „verblödeten“. Es gäbe eine seltsame Konkurrenz zwischen Glück und Freiheit, die zu einem Trivialglück führe und nicht zu einem Glück, welches Denken und Fühlen in einem Kant´schen Sinn befreie. Ebenso werde das Wort durch das Bild abgesetzt und wirkliches Lesen fände immer weniger statt. (Sinngemäß aus einem Interview im philosophischen Radio).
Was macht uns frei und was macht uns wirklich glücklich?
Nach den Prinzipien der Aufklärung zu handeln, kann anstrengend sein. Jemandem zu folgen, der etwas behauptet, was wir aus Bequemlichkeit und Faulheit lieber hören wollen, ist einfacher. Politiker reihen mitunter Behauptungen aneinander ohne Argumente und Begründungen zu liefern. Aufklärung bedeutet aber Argumente zu finden, die das eigene Handeln begründen, um dadurch zu überzeugen. Politik sollte sich stets am Gemeinwohl orientieren und sich in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Nach Tiedemann gehe es in einem höheren Maße verloren, dass Politiker es als notwendig betrachteten, sich vor dem Allgemeinwohl zu rechtfertigen. Es gäbe zwar keine Demokratie auf der Welt, in der jeder sich für das Gemeinwohl interessiere, aber das Ziel der Aufklärung sei letztendlich, jeden Bürger zum reflektierten, aufgeklärten, engagierten Bürger zu verwandeln und in das Gemeinwohl hineinzuholen. Man brauche nicht nur eine einfache, quantitative Mehrheit, sondern Menschen mit Mut und kritischem Denken.
Erinnern wir uns an Fridays for future: Eine ganze Generation geht auf die Straße, um ökonomisch geringere Lebensstandards als die Generation vor ihr in Kauf zu nehmen, um dem Klimawandel entgegen zu wirken. Das gibt Hoffnung! Eine Generation, die Verantwortung übernimmt für das Leben auf der Erde.
Aufklärung- ein europäisches Phänomen?
Sicher gibt es Kritik an Demokratie und Aufklärung als ein rein „europäisches Phänomen“, das keine Universalität für sich beanspruchen kann. Und schließlich hat Europa durch den Kolonialismus viel Leid über die Erde gebracht.
Tiedemann bezeichnet Kant als Spitzenreiter der zweiten Phase der Aufklärung. Die erste Phase fand im alten Griechenland statt unter Perikles und Platon vor nicht ganz zweieinhalb Tausend Jahren. Betrachteten wir Griechenland (bzw. das alte Athen) war dieser Raum zu dieser Zeit in mancher Hinsicht vielleicht mehr asiatisch geprägt als europäisch. Es gab Sklaven und Frauen, die keine Rechte und Mitsprache besaßen. Trotzdem entstand hier die Urform der Demokratie, in dem Volksvertreter per Los gewählt wurden. Alle Männer mussten sich zur Wahl stellen und für eine Zeit dem Gemeinwohl verpflichten.
Es finden immer Schritte innerhalb einer Menschheit statt, die irgendwo anfangen und sich ihren Weg suchen. Ein Ziel der Aufklärung ist auch, die Kluft zwischen "Ihr" (der Staat) und "Wir" (das Volk) aufzuheben. Wie oft haben frustrierte Bürger das Gefühl, das immer über sie hinweg entschieden wird? Dass man sich nicht um sie kümmert? Dass ihre Meinung nicht zählt? Ein gutes Beispiel um diese Spannungen zu reduzieren, bilden Bürgerräte (siehe Forum), die wir von Anfang an begleitet und unterstützt haben.
Für die Aufklärung hatte das geschriebene Wort immer eine vorrangige Bedeutung, um sich mitzuteilen. Menschen, die lesen konnten, konnten mitreden.
Schreiben, lesen, kreativ sein, kritisch sein, objektiv sein ….. All das versuchen wir hier mit unserer Internetarbeit auch umzusetzen. Wir hoffen, dass wir nicht nur mündige, sondern auch kosmische BürgerInnen sein dürfen. Heute ist der 29. 4. und ein guter Tag für Melchizedek (Gematria 294) und die Heilung des Planeten im Lichte der Aufklärung!